This is an interview with Cecilia Bartoli before her appearance in
Semele in Zurich with my usual translation.
Seit Cecilia Bartoli hier Händel-Opern singt, ist das Zürcher Opernhaus eine hochburg der Barock-Freaks geworden. Nun steht ihr Rollendebüt als Semele an - einer Frau, die Unsterblichkeit erlangen will.
[Since Cecilia Bartoli sings Handel operas here, the Zurich operahouse has become the main city for Baroque freaks. Now comes her role debut as Semele, a woman who wants to become immortal.]
Interview Werner Pfister
Cecilia Bartoli, ungefähr vor zwanzig Jahren starteten Sie zu einer weiss Gott stratosphärischen Karriere durch. Überraschenderweise hat die Musik Händels dabei erst relativ spät eine Rolle zu spielen begonnen.
[WP-Cecilia Bartoli, approximately twenty years ago you started on, god knows, a stratospheric career. Surprisingly the music of Handel began to play a role only relatively late.]
Nun ja, am Anfang habe ich mich als Rossini-Sängerin profiliert, später kam Mozart hinzu, und überhaupt war für mich in den ersten zehn Jahren das Belcanto-Repertoire zentral. Mein Interesse für Alte Musik und für Originalinstrumente wurde erst später geweckt - 1998 mit Händels Oratorium «Il Trionfo del Tempo e del Disinganno» unter Nikolaus Harnoncourt. 1999 machte ich eine CD-Einspielung von Händels «Rinaldo» unter Christopher Hogwood, und hier am Opernhaus kam im Jahr 2003 abermals «Il Trionfo», diesmal szenisch, sowie 2005 «Giulio Cesare», beide Produktionen übrigens unter Marc Minkowski. Solche Dirigenten waren es, die mir die Tür zur Alten Musik öffneten. Mittlerweile lebe ich ganz stark in der Welt Händels.
[CB-Yes, at the beginning I profiled as a Rossini singer, later Mozart was added, and in all the bel canto repertoire was central for me in the first ten years. My interest in old music and in original instruments was aroused only later - 1998 with Handel’s Oratorio "IL Trionfo del Tempo e del Disinganno" under Nikolaus Harnoncourt. In 1999 I made a CD of Handel’s "Rinaldo" under Christopher Hogwood, and here at the opera house again in 2003 came "IL Trionfo", this time staged, as well as the 2005 "Giulio Cesare", both productions by the way under Marc Minkowski. Such conductors opened the door for me to the old music. Meanwhile I live completely strongly in the world of Handel.
Was macht diese Welt so speziell?
[WP-What makes this world so special?]
Händel war nicht nur ein grossartiger Komponist, er kannte auch die Stimmen unheimlich gut und verstand viel vom Gesang. Als ich die Cleopatra in «Giulio Cesare» sang, hatte ich wirklich das Gefühl, dass jede einzelne Note perfekt in meiner Stimme liegt. Das gibt es bei anderen Komponisten nur selten.
[CB-Handel was not only a great composer, he also knew voices extremely well and understood much about singing. When I sang Cleopatra in "Giulio Cesare", I had really the feeling that each individual note lies perfectly in my voice. This happens only rarely with other composers.]
[DrB-this was my impression as well.]
Mittlerweile gibt es auf den Opernbühnen einen regelrechten Händel-Boom...
[WP-Meanwhile there is a proper Handel boom on the opera stages... ]
Händel ist halt wirklich einer der bedeutendsten Barock-Komponisten. Ich betone das, weil es hier starke Niveauunterschiede gibt. Bei Händel bewundere ich seine Einfachheit, die gleichzeitig so eminent schwierig ist - je einfacher, desto schwieriger.
[CB-Handel is really one of the most important baroque composers. I stress that, because here there are strong differences. With Handel I admire his simplicity, which is at the same time so eminently difficult - the simpler, the more difficult.
Gilt das auch für seine Oper «Semele»?
[WP-Is this also true for his Opera “Semele?”]
Auf jeden Fall. Aber bei «Semele» kommt noch etwas Entscheidendes hinzu: die Mitwirkung eines Chors. Was Händel hier macht, wie er den Chor einsetzt, das ist kaum zu fassen. Ich kann nicht genug davon bekommen, wenn ich auf der Bühne dem Chor zuhöre.
[CB-In any case. But with "Semele" something crucial is added: the co-operation of a choir. What Handel makes here, as he includes the choir, is hardly to be grasped. I cannot get enough of it when I listen to the choir on the stage.
Bei Händel ist Chor eigentlich im Oratorium und nicht unbedingt in der Oper beheimatet. Bei der Uraufführung wurde «Semele» etwas schieläugig als «Opera after the manner of an Oratorio» angekündet. Was gilt nun wirklich: Oper oder Oratorium?
[WP-With Handel choir is actually resident in the oratorio and not necessarily in the opera. During the premiere "Semele" was announced somewhat squint-eyed as "Opera after the of manner of an oratorio". Which now really applies: Opera or Oratorio?
Auf jeden Fall ist «Semele» ein durch und durch englisches Werk. Ein Lehrstück über Moral sozusagen. War es in Rom einst der Papst, der sich gegen die in den Opern propagierte Unmoral stellte, so war es in Händels England das Bürgertum, welches gegen jede Unmoral in den Opern zu Felde zog und sich ans biblische Oratorium hielt. «Opera proibita» nannte man das, und ihr habe ich eine ganze CD-Produktion gewidmet. Unmoralisch ist die Geschichte von der jungen Semele und ihrem göttlichen Verführer zweifellos. Dass Jupiter sie dann fallen lässt, ist gleichsam die Moral von der Geschichte: Versuche nie, dich über deinen eigenen Stand zu erheben. Irgendwann fällst du wieder.
[CB-In any case "Semele" is thoroughly an English work. A didactic drama about morals, as it were. In Rome there once was a Pope, who placed himself against the immorality publicized in the operas, then it was in Handel’s England the middle class, which pulled against each immorality fielded in the opera and adhered to the Biblical Oratorio. "Opera proibita" one called that, and I dedicated a whole CD production to this. Immorally is undoubted the history of the young Semele and her godly leader. That Jupiter then lets her fall, is the moral of story, as it were: Never attempt to raise yourself over your own conditions. Sometime you will fall again.
Eigentlich ein durchaus zeitgenössisches Thema, gerade auch in der English Society und der Royal Family...
[WP-Actually a quite contemporary topic, straight also in the English Society and the Royal Family... ]
In gewisser Hinsicht durchaus. Darüber darf man aber nicht vergessen, dass Semele ihren göttlichen Verführer liebt, und das macht die Sache erst recht spannend. Sie liebt ihn aus Liebe, nicht aus Berechnung. Diesem Gefühl will sie unbedingt vertrauen und deshalb nicht den ihr vom Vater bestimmten Mann heiraten. Wie sagt man heute so schön: Sie will ihrem Herzen folgen.
[CB-In certain respects quite. One may not forget, however, that Semele loves her godly leader, and that makes the thing quite exciting. She loves him from love, not from calculation. She wants absolutely to trust this feeling and not to marry the man determined by her father. As one says today so beautifully: She wants to follow her heart.
Das funktioniert letztlich doch nicht?
[WP-Doesn’t this function in the long run nevertheless?
Weil es da noch Juno gibt, Jupiters eifersüchtige Gattin. Sie versucht mit allen - auch unlauteren - Mitteln, ihre junge Nebenbuhlerin auszuschalten. Sie wird zur grossen Versucherin für Semele, indem sie dieser heuchlerisch den Wahn einflösst, sie könne, wenn sie es nur richtig anstelle, unsterblich werden.
[CB-Because there is still Juno, Jupiters jealous wife. She tries with all - also unfair - means to switch her young rival off. She becomes the large temptress for Semele, by creating the illusion, she can, if she only correctly employs it, become immortal.
Dieser Versuchung kann wohl keine junge Frau widerstehen...
[WP-Probably no young woman can resist this temptation!...... ]
...auch keine ältere! Im Gedanken an solche möglicherweise zu erlangende Unsterblichkeit verliert Semele die Kontrolle über sich und über ihre Liebe zu Jupiter. Damit hat Juno ihr Ziel erreicht. Eigentlich ist Semele ein Opfer Junos.
[CB-also no older woman. In the thought of the possibility of attaining such immortality Semele loses control of herself and of her love for Jupiter. Thus Juno achieved her goal. Actually Semele is a victim of Juno. ]
Nicht auch das Opfer eines übertriebenen Ehrgeizes?
[WP-Not also the victim of an exaggerated ambition? ]
Nein. Selbstverständlich ist Semele ehrgeizig. Aber wäre sie übertrieben ehrgeizig, dann hätten wir keinerlei Mitleid mit ihr und würden am Ende der Oper denken: Recht ist ihr geschehen! Eigenartigerweise aber berührt uns Semeles Schicksal - weil sie ein Opfer ist. Denn auch Jupiter lässt sie zum Schluss fallen: «She must a victim fall!», sagt er.
[CB-No. Of course Semele is ambitious. But if it were exaggerated ambition, then we would not have any compassion with it and at the end of the opera would think: The right thing has happened to her! Strangely, however, Semele’s fate affects us - because she is a victim. Because also Jupiter lets it fall in the end: "She must be a victim!", he says. ]
Interessanterweise scheint am Schluss der Oper niemand wirklich glücklich zu sein. Jupiter nicht und selbst Juno nicht. Auch nicht Semeles einst vorbestimmter Bräutigam, der nun mit ihrer Schwester Ino Vorliebnehmen muss...
[WP-Interestingly enough nobody seems to be really happy at the conclusion of the opera. Not Jupiter and not even Juno. Also not Semeles once pre-determined bridegroom, who must now marry with her sister Ino...]
Eine Besetzungsänderung sozusagen. Zudem, das Leben geht weiter - Semele wird nicht Jupiters letzte Geliebte gewesen sein.
[CB-A change of occupation as it were. Besides, life continues - Semele will not have been Jupiter’s last love. ]
Am ehesten hätte Semele Veranlassung zum Glücklichsein - ist das doch Ihre erste Opernpartie, wo Sie zum Schluss ein Kind auf die Welt bringen...
[WP-In antiquity Semele ultimately was lucky - is nevertheless your first opera role, where you bring a child in the end on the world... ]
(lacht) Allerdings sozusagen eine Frühgeburt. Und Jupiter pflanzt das Kind in seinen Schenkel ein, um es dort auszutragen. Aber Sie haben schon recht: Dieses Kind ist der Gott Dionysos, und er wird später Semele aus dem Hades befreien und sie zu den Göttern holen, womit sie glücklich ihre Unsterblichkeit erlangt.
[CB-(laughs) however as it were a premature birth. And Jupiter implants the child into his thigh, in order to deliver it there. But you are right already: This child is the God Dionysos, and he will later release Semele from Hades, and raise her to the Gods, with which she luckily attains her immortality. ]
Premiere von Händels «Semele» am 14. Januar. Weitere Vorstellungen mit Cecilia Bartoli am 17., 19., 21., 24., 26. und 28. Januar sowie am 2. Februar (Benefizvorstellung zugunsten der Cecilia-Bartoli-Stiftung).